Branchensicht Online Marketing

Zurzeit sind diverse Callcenter sowie „Berater“ und „Coaches“ unterwegs, die sehr, sehr vollmundige Versprechungen machen. „Skalierbare Umsätze“, Neukundengewinnung hier und da mit ach so tollen Onlinekonzepten. Das betrifft ebenfalls die üblichen „Coaches“, welche offenbar massiv auf online umgeschwenkt sind – weil sonst nichts läuft. Auch sehr beliebt sind tolle Konzepte, mit Amazon ganz schnell ganz toll reich zu werden. Logisch, Amazon geht. ab

Man darf zarte Zweifel anmelden, was die drauf haben. Im Endeffekt liefern auch Starcoaches online ganz banales Standardzeug, teilweise veraltet. Nur wird das gerade als neu und der Weisheit letzter Schluss hochglanzvermarktet. Neu ist das tatsächlich nur für die, die es noch nicht kennen. Die Frage aber ist, wie gut die es praktisch umsetzen können ohne viel Erfahrungswerte und zudem noch auf ein paar Kanäle beschränkt.

Was Amazon angeht: kann man machen. Ich würde es jedoch nur auf Zusatzgeschäft für den eigenen Webshop auslegen. Sonst begibt man sich in eine sehr, sehr gefährliche Abhängigkeit von der Plattform. Ein willkürlicher Zahlungsstop, vermeintlicher Richtlinienverstoß, Preiskampf oder Nachahmung des Sortiments durch Amazon selbst gefährden dann die ganze Existenz. Besser, vom eigenen Webshop aus möglichst breit streuen, bspw. auch auf Idealo, real.de (demnächst kaufland.de) und einige andere. Dann kann man Amazon noch so mitnehmen.

Derweil werden Plattformen gehyped, die nicht so tolle Reichweiten aber Datenschutzprobleme ohne Ende haben. Beispiel Clubhouse oder TiKTok. Hier tummeln sich die üblichen Propagandisten in der Kundengewinnung. Natürlich stehen hier noch letztendliche Urteile aus. Mit der Mitstörerhaftung ist man schnell dabei und das für so wenig Resonanz? Die paar gehypten Erfolgsstories spiegeln bei weitem nicht die große Mehrheit der erfolglosen gewerblichen Anbieter, welche den Propagandisten scheineweise das Geld hinterher werfen.

Es geht vielen schlecht

Auch Stars aus der Speakerszene bedienen jetzt mehr oder minder verzweifelt alle Kanäle. Sogar das in meinen Augen weit abgeschlagene Xing wird wieder bespielt. Naja. Also. Diversen Agenturen geht es richtig mies. Die erhalten die Show aufrecht. Was branchenweit coronabedingt fehlt, sind die dicken Etats aus Tourismus und Mode. Dazu kommen sehr viele kleinere Sachen, die gerade auch nicht mehr stattfinden. Zudem gibt es mit Kurzarbeit teilweise eine weniger zahlungskräftige Klientel.

Es ist insgesamt eine wahnsinnige Bewegung im Markt. Einige werden das nicht überleben. Hierzu zähle ich auch diverse Einzelhandelsgeschäfte. Der Lockdown trifft sie fürchterlich. Nur offenbart Corona Probleme, die es genau so für den stationären Einzelhandel schon viel länger gibt. Online hat über Jahre Umsatzsteigerungen von 20 Prozent erzielt und das fehlte sowieso schon dem stationären Einzelhandel. Homeoffice ist nicht neu, die Kunden lassen sich einfach beliefern. Viele Firmen sind lange vor Corona aus teuren Innenstadtlagen ausgezogen und versorgen den lokalen Handel längst nicht mehr mit kaufwilligen Passanten. Kommt dazu jetzt Corona, ist das nicht der alleinige Grund für Probleme in den Innenstädten. Die gab es schon viel länger und Corona ist nur der Brandbeschleuniger. Diverse Einzelhändler sind auch mit Coronahilfen nicht mehr langfristig lebensfähig, das Ende würde nur etwas später kommen.

Da müssen neue Konzepte her. Jeder Einzelhändler sollte sich fragen, wie er ohne brauchbare Onlinepräsenz überleben möchte. Die Innenstädte könnten in einem Mix aus Einkaufen, Unterhaltung und Wohnen wieder attraktiver werden. Die großen Filialunternehmen müssen auf sinnvolle Kooperation mit kleinen Spezialisten setzen. Weiter so wird nicht funktionieren. Das Gleiche gilt für Marketing. Übliches Agenturzeug ist austauschbar. Nur mit ein paar Schlagworten und hippem Gehabe kommt man nicht weiter. Daher setzen wir seit langem in unserem Netzwerk auf konfektionierte Lösungen, nicht auf Massenware. Wohlgemerkt zum Nutzen des Kunden. Massenware bekommt man suboptimal funktionierend an jeder Ecke oder eben jetzt von Beratern und Coaches.

Die jetzt von einigen Online Amateuren immer noch geforderte Abgabe auf Pakete zugunsten des stationären Handels ist absoluter Blödsinn. Man würde damit nicht nur den Steuertrickser Amazon treffen sondern eine Unmenge kleinerer Onlinehändler, die sich ehrlich und mit viel Arbeit einen Shop aufgebaut haben. Ganz nebenbei. Warum sollten Endkunden einen irgendwie kalkulierten Aufpreis zahlen, wenn sie einfach nur Bestellungen ins Haus oder an den Arbeitsplatz geliefert bekommen?

Was derweil Vater Staat an IT Lösungen bastelt, könnte man mit Wohlwollen als Parodie klassifizieren. Angefangen von der 60 Mio Corona App mit mehr als eingeschränktem Nutzen bis zur immer noch nicht vorhandenen, durchgehenden Digitalisierung in der Nachverfolgung.

Hier läuft ansonsten alles ziemlich ruhig und normal. Solange man Wochenendarbeit und Nachtschicht für Google Ads, Relaunches, Analyse und Marktforschung als normal bezeichnen kann ;-).

Lokale Webprojekte im Vormarsch

Das dürfte interessant werden für viele Verlage: In Konkurrenz zu den Lokalausgaben agieren mehr lokale Gruppen auf Facebook. Natürlich sind die nicht allzu langzeitstabil, weil gerade hier Emotionen oft schnell und heftig hoch kochen. Anders sieht es bei den immer öfter anzutreffenden lokalen Webseiten aus, die von eigenständigen Unternehmen betrieben werden. Hier in meiner Heimatstadt ist gerade die Webseite Rheinischer Spiegel entstanden. Das System ist völlig unabhängig von den Lokalteilen beispielsweise der Rheinischen Post oder auch den üblichen Anzeigeblättchen mittwochs und samstags.

Da werde ich neugierig. Zumal ich in grauer Vorzeit, also vor 1998, ja auch durchaus als Journalist tätig war. Seit langem haben sich schon Stellenanzeigen, der Verkauf von Autos oder auch Angebote rund um Immobilien, Wohnungen und vieles mehr weg von den Tageszeitungen ins Web verlagert. Das übernahmen die großen Player wie Autoscout, Mobile.de, Immowelt oder auch Monster, Stepstone und andere. Denen fehlt aber die redaktionelle Berichterstattung aus der Region.

Gleichzeitig sind die neuen Unternehmen deutlich flexibler und oft auch schneller unterwegs als die immer noch ziemlich trägen Verlage. Qualitativ kann übrigens so manche Webseite nicht nur mit den Digitalausgaben der Tageszeitungen mithalten. Sie beleuchten oft sehr viel genauer Hintergründe, machen auch nicht mehr Rechtschreibfehler als normale Journalisten und sind ziemlich unabhängig von den doch sehr oft anzutreffenden Beziehungsgeflechten der Lokalausgaben. Das ist übrigens generell ein zunehmendes Problem bei Zeitungen. Ohne die passenden Anzeigenkunden und politische Strippen wäre der klassische Verlagsapparat oft ziemlich gebeutelt. Ergo sinkt die Reputation gerade derjenigen, welche sich selbst als Qualitätsmedien proklamieren, oft merkbar.

Mit den überall verfügbaren WordPress, Typo3, Joomla oder Drupal kann man schon richtig gute Seiten bauen und betreiben. Der Betrieb einer solchen Plattform ist nicht teuer. Wenn hier journalistisch interessierte Menschen über ihre Stadt und die Ereignisse berichten, kann man durchaus von einer Bereicherung der Medienlandschaft sprechen. Ich bin gespannt, was sich damit in Viersen tun wird. Auf jeden Fall werde ich den einen oder anderen Beitrag wohl beisteuern. Sozusagen Mitmachjournalismus mit sehr breit ausbaubaren Optionen. Vielleicht ist das schon der Trend deutlich über Tageszeitungen oder Huffington Post hinaus.