Jäger, Sammler und Verlierer
Böses Erwachen
Briefmarkensammeln war einmal Trend. Vom Kind bis zum Großvater hatten viele Menschen Sammlungen. Auch Gedenkmünzen, Telefonkarten, Swatch-Uhren, Überraschungsei-Figuren und diverse andere Objekte sind Gegenstand des Begehrens. Eine Beurteilung der Wertentwicklung war bislang Autoren von Katalogen, Händlern und gut informierten Spezialisten vorbehalten.
Durch das Internet und vor allem ebay bekommt auch der Durchschnittssammler gute Marktinformationen. Dazu noch macht der Euro europaweit Märkte vergleichbar und den Handel transparenter. Die realen Werte für einst teuer eingekauftes Sammelgut sind in vielen Fällen erschreckend: Nicht nur mit Aktien von Telekom und Co. kann man massiv Geld verlieren.
Briefmarkendesaster
Michel, die oberste Instanz bei Briefmarkenpreisen, geht bei gängigen Sammlungen und Einzelstücken im normalen Fachhandel von 50 Prozent Abschlag auf den Listenpreis aus. Nur in Ausnahmfällen oder bei extrem hochwertiger Ware erreichen Marken Katalogpreise. Eher werden sie zu 10-30 Prozent des Listenpreises angekauft und von Händlern zu 25 bis 50 Prozent des Listenpreises verkauft. Dabei werden auch nur solche Marken aktiv gehandelt, die einen Listenpreis von über 10 Euro aufweisen.
Spätestens seit Einführung der Onlineauktionen, speziell ebay, entpuppen sich Werte als rein theoretisch. Die Devise früherer Jahre, Sammlern eine kontinuierliche Wertsteigerung vorzugaukeln, ist der Ernüchterung über mangelnde Rentabilität gewichen. Heutzutage erzielen gängige Stücke aus vor-Euro-Zeiten auf Onlineauktionen nur rund 5 bis 25 Prozent des Katalogwertes. Was in Katalogen zwischen einem und zehn Euro aufgelistet wird, ist somit faktisch wertlos. Jedenfalls, solange es sich nicht um beliebte Spezialsammelgebiete handelt.
Kaum ein Sammler bietet auf Marken, bei denen Postversand oder Versteigerungsgebühren teurer sind, als der Markenwert selbst, siehe wieder einmal ebay. Entsprechend schlecht laufen oft Auktionen von Marken unter 5 Euro Listenpreis. Als Porto lassen sich alte Marken nicht mehr verwenden, Euro sei Dank. Sogar neue Marken sind online teilweise günstiger zu haben, als am Postschalter. Rund 95-98 Prozent des Nominalwertes ist eine gängige Größenordnung bei Versteigerungen druckfrischer Marken.
Ich schätze, dass die Abwärtsspirale demnächst noch schneller läuft. Zu sehr und zu lange haben Händler und Kataloge die Sammler verarscht und der dringend benötigte Nachwuchs fehlt obendrein.
Den anderen geht es auch nicht besser
Der Sammlermarkt für Telefonkarten ist ebenfalls weit von Katalogangaben entfernt. In Onlineauktionen sind ganze Kartons für wenige Euro zu haben. Kein Wunder, denn selbst der aufgebuchte Wert ist größtenteils nicht mehr abrufbar. Telefonkarten als Werbegeschenke überschwemmten den Markt mit niedrigen Auflagen, widersprachen aber einer vermeintlich damit einher gehenden Verteuerung. Im Zeitalter der Handies ist die Vertrautheit mit der Telefonkarte vorbei, der Markt fast tot.
Schnäppchenjäger finden angeblich teure Swatch-Uhren online bei ebay häufig noch unter dem normalen Verkaufspreis. Fabrikneue Taucheruhren aus den späten 90er Jahren, Swatch Scuba, gibt es online ab ca. 25 Euro. Der ehemalige Ladenpreis lag bei rund 120 DM. Sammlerpreise von bis zu 80 Euro sind utopisch. Nur wenige Modelle sind tatsächlich so gesucht, dass sie ansatzweise den Katalogpreisen entsprechen. Durch regelmäßige Sammlungsauflösungen werden die erzielten Auktionspreise auf einem wahrscheinlich dauerhaft niedrigen Niveau gehalten.
Die Sammler von Überraschungsei-Figuren wundern sich ebenfalls über hohe Katalogpreise, die in Onlineversteigerungen nicht erzielt werden. Einzige Ausnahme sind aktuelle Serien, die mit einem entsprechenden Marketingaufwand zeitnah beworben sind. Damit kann man aber kein großes Geld verdienen.
Lichtblicke
Es geht jedoch auch anders. Langfristige Trends, dauerhaft aktive Fangemeinden und reale Werte halten im Internet ihren Preis. Stabil präsentiert sich beispielsweise der Markt für Münzen aus Edelmetall, z.B. Krügerrand, Vrenli oder Golddollar. Bei Angabe des Gewichts und des Feingoldgehalts steht immer der Wert des Goldes als Grenze des möglichen Wertverlustes. Aufschläge für Seltenheit werden nur dann gezahlt, wenn die Stücke tatsächlich selten sind. Normale Sammlermünzen, etwa alte Markstücke, liegen nicht ganz so tödlich unter den Katalogwerten wie Briefmarken. Dagegen bringen aufwändig propagierte Gedenkmedaillen oder vergoldete Billigware, wenn überhaupt verkäuflich, nur Bruchteile des ehemaligen Preises ein.
Gute, ältere Brettspiele bieten Spielspaß. Sie sind oft längst vergriffen und werden immer seltener. Kein Wunder, denn je häufiger man damit spielt, desto schneller nutzt das Spielmaterial ab. Die eingebaute Verknappung sorgt für stabile bis steigende Preise. Talisman von Schmidt Spiele kletterte von ca. 30 DM im Abverkauf Ende der Achtziger auf gebraucht aktuell ca. 60 Euro, Tendenz steigend.
Durchaus lohnend ist auch das Sammeln von seriös limitierten Objekten, die eine sehr große Fangemeinde haben. Eine DVD-Box mit Teil 1 von Herr der Ringe, Buchstützen und weiteren Extras ist heute ein gesuchtes Objekt. Die Box wurde weltweit nur 54.000 mal produziert, sackte im Wert kurzzeitig auf rund 60 Euro und war nach dem Start des dritten Teils bei ebay für 100-150 Euro zu haben. Tolkien ist ein Klassiker, die Film sind Erfolge. Ein schneller Wertverlust ist nicht zu erwarten, da zurzeit keine Nachproduktion geplant ist.
Techniksammler
Commodore 64 oder Atari sind Erinnerungen an die erste Begegnung mit Datenverarbeitung. Gut erhaltene C 64, die Bastelwut und Kinderhände überstanden haben, steigen im Preis. Amiga, ST 1024, frühe Apple und sogar die ersten PC finden langsam ihren Sammlermarkt. Nicht zuletzt alte Spiele werden wiederbelebt, sei es als Emulation unter Linux oder gleich auf einem alten Originalgerät. In der Zeit von 5,25 Zoll Disketten war eine natürliche Auslese durch Entmagnetisierung oder mechanische Fehler der Floppies gegeben. Wer heute noch gute, funktionsfähige Spiele aus den 80ern hat, kann diese bedenkenlos aufbewahren.
Eine erstaunliche Wertsteigerung erreichen teilweise auch Anwendungsprogramme. Die uralte Textverarbeitung, eine frühe Tabellenkalkulation oder auch Datenbanken kommen zu Ehren. Dank teilweise haarsträubender Dateiformate ist nur mit alten Originalversionen ein wirtschaftlicher Export alter Dokumente möglich.
Neben dem Computer gibt es weitere Sammelgebiete im Bereich Technik. Vor allem, wo frühe Elektronik, Mechanik und Unterhaltungswert aufeinander treffen, wird der Markt interessant. Musikboxen spiegeln emotional die Zeit vor allem von 1930 bis 1965 wieder. Regelmäßig wieder kehrende Modetrends zitieren gerne Flair und Nostalgie. Das typisch amerikanische Cafe, die Rock`n Roll Epoche sind ohne diese Geräte kaum denkbar. Nachdem sie aus den Gaststätten für ein paar Mark abverkauft wurden, sind vor allem die ersten Gerätegenerationen massiv im Preis geklettert. Dieser ist mittlerweile bei einigen Stücken so hoch, dass sich extrem teure Restaurationen lohnen, so bei den ersten Wurlitzer, RockOla oder Seeburg. Einige der alten Lieder sind nicht mal mehr bei Tauschbörsen zu finden, was eine voll bestückte Box mit Schellackplatten oder 45ern auch nicht preiswerter macht.
Ähnlich wie Musikboxen geht es Flippern. Die ehemals bis zu 12.000 DM teuren Geräte wurden in den seltensten Fällen auf Eurobetrieb umgerüstet und verschwanden aus Gaststätten und Spielhallen. Ausgelaugte Modelle sind noch reichlich vorhanden und einigermaßen preiswert verfügbar. Wirklich gute, top-restaurierte Geräte ziehen jedoch im Preis an. Der mechanische Verschleiß und die natürliche Marktverknappung dürften langfristig für eine Wertsteigerung sorgen.
Resumee
Das Internet gestaltet jeden Tag eine weltweit einsehbare Preistransparenz. Unbedingtes Marktwissen ist nicht mehr Voraussetzung, wenn der Sammelspaß im Vordergrund steht. Sammeln als Wertanlage ist dagegen mit Vorsicht zu genießen. Neue Sammlermarken sind eine nette Spende an die Post. Wer immer noch Telefonkarten zu Sammlungszwecken kauft, saniert vielleicht ein wenig die Telekom. Langfristig dürften sich kaum Wertsteigerungen ergeben.
Erst, wenn eine tatsächliche Verknappung des Sammelguts bei gleichzeitig konstanter oder steigender Nachfrage eintritt, lohnt es sich wieder.
Danach spielen psychologische Momente eine ebenso große Rolle wie Modetrends. Beide lassen sich nur schwer vorher sagen. Wirtschaftlich sind Sammelgebiete am ehesten interessant, die eine emotionale Basis ansprechen (wer hatte keinen Teddybär?) und sich lange am Markt behaupten. Es muss dabei nicht einmal ein offizieller Markt mit strukturiertem Vertrieb und festen Geschäften sein, das Internet reicht.