Die Veranstalter der re:publica wollten Informationsblasen abbauen, Netzkultur pflegen. Die Bundeswehr wurde ausgesperrt, weil sie ganz normal in Uniform (wie Polizei oder Feuerwehr) einen Stand betreiben wollte. Schon im letzten Jahr war die Bundeswehr ausgegrenzt, offizielle Begründung war eine verspätete Anmeldung.
Informationsfreiheit – aber bitte nur unsere
Wie passt eine Ausgrenzung zur Informationsfreiheit? Zur freien Meinungsäußerung? Die vorgeschobene Begründung war, dass man Personalgewinnung durch die Bundeswehr verhindern wollte. Das wiederum darf man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Veranstalter der re:publica möchten zensieren, beeinflussen, wer überhaupt eventuell Mitarbeiter gewinnen darf. Natürlich ist das schon eine massive politische Einflussnahme. Und zwar ausgerechnet von den Leuten, welche Unabhängigkeit und Offenheit propagieren. Für mich persönlich ist das schon reichlich manipulativ, wenn nicht gar verlogen. Auf jeden Fall entlarvt es eine politische Ausrichtung. Was nicht gewünscht ist, findet entsprechend auch nicht statt.
Guerilla Marketing
Nun, weil die Bundeswehr nicht teilnehmen durfte, fuhr sie einfach mit einem Transporter und einer Plakatwand vor. Eine aus Marketingsicht ziemlich coole Aktion und passende Reaktion auf die Ausladung. Sie verteilte Flyer und bot den Messebesuchern ganz offen Gespräche an. Auch wieder falsch. Schwupps empörten sich die Veranstalter der re:publica. Eigentlich haben sie sich dadurch noch weiter in die Ecke der Unglaubwürdigkeit manövriert.
Shitstorm
Für genau dieses Vorgehen kassiert die re:publica einen heftigen Shitstorm. Von Bundeswehr über Reservisten, von unabhängigen Journalisten bis zu Zeitungswebseiten, von empörten Benutzern bis zu Vertretern echter Meinungsfreiheit hagelt es Kritik. Auf diese Kritik wiederum reagiert die re:publica, selbsternannte Verfechter der Meinungsfreiheit, meines Erachtens extrem dünnhäutig. Warum? Meinungsfreiheit heißt nicht Bevormundung. Oder doch?
Meinungsgewichtung?
Allerdings werden wohl viele Negativkommentare in sozialen Netzen nicht berücksichtigt oder ausgeblendet. Offenbar greifen fehlerhafte Mechanismen, welche die Empörung der Benutzer und Leser falsch einordnen. Dabei läuft auf allen Kanälen, außer bei eher links einzuschätzenden Blättern, die berechtigte Nachfrage, ob die re:publica sich nicht genau so verhält, was sie am meisten kritisiert. Wenns nicht passt, findets nicht statt. Die Kritik daran scheint unterproportional wiedergegeben zu werden. Upps, haben die sozialen Netze dort eine Schwäche, können sie auch so die politische Wahrnehmung beeinflussen?
Luft rausgelassen
Der Protest gegen die Aussperrung der Bundeswehr hat auch Einfluss auf bspw. die Bewertung der Veranstaltung. Bisher war Friede, Freude, Eierkuchen. Man feierte sich gegenseitig. Die öffentliche Wahrnehmung war geprägt durch Selbstlob und Multiplikatoren der Teilnehmer. Nun sind viele sauer und haben massiv 1-Sterne Bewertungen (auch ich) auf bspw. Facebook verteilt. Was bislang als so eine Art selbsterklärter Meinungsführerschaft unterwegs war, ist ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Die re:publica vertritt eben nicht die Digitalgemeinde sondern nur einen kleinen Teil des Spektrums. Einen kleinen aber bislang sehr öffentlichkeitswirksamen Teil. Und das wohl durchaus politisch stark eingefärbt. Durch die kritische Berichterstattung in den Medien und auch die Gegenreaktionen verliert die Veranstaltung den selbstproklamierten Glanz und auch ihre oft gefühlte Meinungsführerschaft. Dies kann durchaus ein Paradebeispiel werden, was Resonanz und tatsächliche Wirkung oder vermeintliche Interessensvertretung und Mehrheiten im Internet angeht.
Medienecho
An der re:publica kann man sehen, wie sich auch das Medienecho um die Messe aufgebaut hat. Verschiedene Medienanstalten bis hin zum Deutschlandradio sind vertreten. Letztere sogar mit einem gläsernen Studio in der Halle. Dem Deutschlandradio ist natürlich keine politische Einflussnahme vorzuwerfen, in der Regel sind die Berichte fair. Aber es besteht die Gefahr der Bedeutungserhöhung für dieses Event. Was eben nicht mehr die reale Bedeutung wiederspiegelt. Einfach mal umschauen. Nehmen wir nur die Veranstaltungen zum Online Marketing. Ein digitaler Wirtschaftsbereich mit sehr genauer Beobachtung bspw. von Verhaltensflüssen im Netz (hoch interessant). Da hätten wir als große Konferenzen und Messen die CPX, Tactixx, Bits&Pretzels, SEOkomm, dmexco, SEOday und zig mehr. Mit zig Tausenden Besuchern, alleine die dmexco hat 40.000. Und meistens Internetprofis. Die re:publica meldete 10.000 Besucher. Neben den Messen zum Online Marketing gibts aber noch die CeBIT, jede Menge lokale Angebote, Veranstaltungen für Shopping, Lifestyle, Haustechnik, Bildung, Sicherheit bis hin zur Gamescom für Computerspieler mit ihren 350.000 Besuchern. Somit deckt die re:publica einen deutlich kleineren (und m.E. nicht unbedingt feineren oder kompetenteren) Bereich ab, als es die digitale Welt ausmacht.
Chance verpasst
Das Kommando CIR der Bundeswehr dürfte einiges zu netzbasierten Angriffen auf Europa und Deutschland sagen können. Seien es russische Attacken auf Verfassungsorgane, sei es Datenklau in der Wirtschaft durch China. Das ist Realität im Netz und mit Sicherheit hoch interessant. Auch dürfte die Bundeswehr einiges an Informationen zu Fake News oder Propaganda haben, mit denen bspw. Russia Today, Sputnik, Anna News oder auch die Trollarmee Russlands seit langem arbeiten. All so etwas kann zum Abbau von Filterblasen beitragen. Was mir bspw. immer wieder im Netz begegnet, ist die Verteufelung der Nato wegen der Osterweiterung. Dabei kommen immer wieder Märchen auf (auch gerne von bspw. linken Politikern oder AfD), das sei alles vertragswidrig. Blödsinn. Die Frage, warum man demokratischen, osteuropäischen Staaten zudem die Flucht unter einen Schutzschirm versagen möchte, gehört ebenfalls diskutiert.
Heuchel hier, heuchel da
Die re:publica lässt sich dick bezuschussen. Von Ministerien der Bundesrepublik. Und der EU. Dazu geben noch drei Bundesländer und Medienanstalten Geld. Gleichzeitig warf der Veranstalter, Beckedahl, der Bundeswehr vor, ggf. für einen „politisch fragwürdigen Angriffskrieg im Internet“ zu rekrutieren. Zynisch ließe sich sagen: Na hoffentlich erfährt das Bundesinnenministerium davon, dass die Bundeswehr einen Angriffskrieg will und erzählt es schnell der Bundeskanzlerin. So ganz scheint bei den Veranstaltern noch nicht angekommen, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Aber Hauptsache dagegen.
Informationsblasen
Das offizielle Ziel der re:publica war der Abbau von Informationsblasen. Wenn man aber selbst zensiert und eine politisch genehme Umgebung schafft, baut man genau diese Informationsblasen auf. Gescheitert. Meinungsfreiheit gerne – so lange es die eigene Meinung ist. Das ist weder demokratisch, noch ehrlich, noch offen.