Der Fall Relotius, Entschuldigung, des Spiegel

Na, sowas. Der Spiegel, oft euphemisch als das „Sturmgeschütz der Demokratie“ hochstilisiert, ist mit erfundenen Geschichten des Reporters Claas Relotius krachend auf die Nase gefallen. Luftnummern waren es und Stimmungsmache statt Fakten. Meiner Meinung ist dies ein typischer Auswuchs des Zielgruppenjournalismus. Einige Gedanken hierzu, persönliche Ansicht:

Zielgruppe?

Jedes Blatt hat seine Kernleserschaft. Diese wird gerne in ihrer Meinung unterstützt und so emotional gehätschelt. Wo der Bayernkurier brav den CSU-Bajuwaren kuschelt, Bild die Berufsempörten der Mittel- und Unterschicht füttert, ist der Spiegel für mich das Blättchen des Sofarevolutionärs. Man gibt sich intellektuell mit linkem Touch und serviert soziale Verantwortung sowie ein nettes Gesellschaftsbild. Ab und an prescht Augstein Junior vor und präsentiert seine Anekdoten als Stichwortgeber in einer Kolummne.

Mal auf den Boden zurück.

Journalismus ist für mich längst nicht mehr so edel und wichtig, wie er sich selbst präsentiert. Anstelle knallharter Recherche und Analyse, aufgrund derer sich ein Leser eine eigene Meinung bilden kann, wird ziemlich oft die Grenze zur Beeinflussung oder Kommerzialisierung überschritten. Ich rede hier bewusst nicht von „Lügenpresse“ wie die AfD. Vielmehr tun diverse Titel einfach was fürs typische Weltbild der Leserschaft. Heute, im Netzzeitalter, wird so etwas als Informationsblase bezeichnet. Provokante Frage: wer das Weltbild seiner Leserschaft füttert, wo ist das besser als Infoblasen, etwa bei Facebook? Der tiefe Fall des Spiegel wirkt um so drastischer, weil man eben den Edlen, Wahren, Guten vorgab.

Auch ökonomische Einflüsse.

Es ist doch auch längst bekannt, was viele Zeitschriften und Magazine als Stunts für Werbeschaltungen bringen. Soll zum Thema XY ein „Special“ erscheinen, sausen die Anzeigenverkäufer los. Das passiert genau so bei Tageszeitungen, wie auch Fachmagazinen. Einfach mal gucken, was bspw. in den Wochenendausgaben berichtet wird und wo rein zufällig passende Anzeigen geschaltet sind. Glaubt da wirklich noch wer an journalistische Unabhängigkeit? Dürfte meiner Meinung eher seltener der Fall sein.

Medien sind eben Geschäft.

Eine Fotostrecke bläst die Klickzahlen auf und der Verleger kann mehr Werbung verkaufen. Geschreibsel von Edelfedern verkauft sich besser bei der Zielgruppe. Werbung kann durchaus Inhalte beeinflussen. Und dann jammert die Branche, dass sie nicht mehr die Informationshoheit hat. Das Internet macht zig Sachen vergleichbar und die Kosten hierfür liegen verflixt niedrig. Die gleiche dpa Meldung findet sich auf zig Portalen. Hier kann man nur noch mit Qualität und einzigartigen Inhalten, Recherche und Knallerthemen bestehen. Das haben noch nicht alle begriffen. Ist diese Entwicklung neu? Nein, ich habe schon mal was Kritisches zu Journalismus geschrieben.

Ich finde das Geheul des Spiegels jetzt ziemlich unpassend. Sie hätten wissen müssen, auf was sie sich einlassen.

Und ja, mein kleines Wortspiel Retorius statt Relotius (siehe URL) war beabsichtigt. Habs aber jetzt aus dem Text herausgenommen und brav Relotius reingesetzt.

Nicht wieder ohne einen Hintergedanken. Bevor Relotius beim Spiegel zum Star wurde, kann man sich fragen, was der vorher gemacht hat. Wo der her kam, ob er da nicht eventuell auch munter fabulierte? Es heißt, er wäre früher bei der taz gewesen. Da bin ich mal provokant, meine Meinung: Wer schon freiwillig bei der taz oder Jungen Freiheit arbeitet…, käme mir eh nicht ins Haus.

Krise bei Xing? Oder Neuausrichtung?

Nanü, da gibts in Xing, dem „Businessnetzwerk“ work for better life, einen Thread, der sich mit nachlassendem Interesse der Benutzer und nachlassender Bedeutung des Mediums Xing beschäftigt. Das kann ich aus Sicht des Online Marketings nur bestätigen. Die Interaktionstiefe bei Postings hat verflixt nachgelassen. Das Gleiche gilt für tatsächlich interessante Zielgruppen, Gruppenaktivität, echte Reichweite. Bleiben wir erstmal beim Letzteren. Xing vermeldet jeden Aufruf eines Beitrags als Reichweite, egal, ob der Benutzer schon mal dort war oder die Seite einfach nur erneuert hat. Die Netto Reichweite der Unique User liegt also niedriger. Schlecht.

Flaute in vielen Gruppen

Bei Gruppenaktivitäten gibts bei weitem nicht mehr so viel richtige Zupferde, also Experten und Meinungsmacher, die auch mal längere Diskussionen einleiten. Statt dessen dümpeln viele Gruppen mit platten Werbepostings mE mehr oder minder scheintot herum, im Vergleich etwa zu 2008, vor 10 Jahren. Ein Standardmechanismus, der jedes Forum befallen kann und der desaströs wirkt: Fallen die Zugpferde weg und macht sich platte Werbung von Me-too Anbietern, Coaches, Beratern, Gemischtwarenläden breit, dann sinkt die Attraktivität für reine Leser und ebenso für Aktionen neuer Zugpferde. Xing mit seinen Gruppen (in der jetzigen Form) sollte mE dabei wirklich nicht als „Businessnetzwerk“ gesehen werden. Es ist einfach nur eine von zig sozialen Plattformen, die in Konkurrenz mit vielen anderen sozialen Netzen um die Aufmerksamkeit der Benutzer kämpft. Allerdings mit guten Funktionen zur Kontaktverwaltung. Stehen diese im Vordergrund, fällt das Interesse an Interaktion nicht größer aus.

Was stimmt da nicht mehr?

Die Benutzer erwarten irgendeinen Mehrwert. Sie möchten unterhalten werden. Sie möchten fachliche Informationen bekommen. Sie möchten als Gewerbetreibende vielleicht Aufträge bekommen. Sie möchten neue Leute und neue Ideen kennenlernen. Das geht aber nicht bei zuviel Werbung, die auch noch oft denkbar ungeschickt eingestreut wird. Zudem, wenn fachliche Diskussionen aufkommen, fehlt es mE häufig an Substanz. Hier wird munter etwas in die Welt posaunt, bei Nachfragen bricht das Kartenhaus zusammen. Oder der Ersteller des Postings setzt etwas in die Gruppe und meldet sich hinterher gar nicht mehr. Oder es geht sofort eine Prügelei los, wer etwas billiger oder besser anbietet. So etwas schreckt stille Mitleser oder interessierte Diskutanten geradezu ab.

Soziale Netze sind ein Geben und Nehmen. Wenn die Zugpferde kein Futter bekommen oder wenn ihnen im schlimmsten Fall noch das Futter geklaut werden kann, streiken sie. Die Bereitschaft, eigenes Know How, eigene Ideen, eigene Kommentare einzusetzen, muss langfristig einen mindestens emotionalen Gegenwert haben (so funktionieren soziale Netze). Entweder nette Leute kennenlernen, neue Ideen aufnehmen, unterhaltsame Geschichten, einen Auftrag, einen Job. Fallen diese Gegenwerte weg, fällt die Motivation für Zugpferde weg.

Nachlassende Attraktivität von Xing?

Kann ja sein, dass jetzt mehr Mitglieder drin sind. Für mich hat trotzdem die Attraktivität und noch mehr die Aktivität böse nachgelassen. Apropos Mitglieder. Hier scheint es wahnsinnig viele Karteileichen zu geben, was einige Moderatoren auch bestätigen. Man hat die üblichen Vielschreiber, Spammer und Moderatoren, eine geringe Leserzahl und anscheinend die übergroße Mehrheit vollkommen inaktiv – nicht mal lesend. Eigentlich sollte man bei steigenden Mitgliedszahlen eine ebenso steigende Aktivität in den Gruppen erwarten können. Davon sehe ich aber nichts. Und die Aufrufzahlen des eigenen Profils sind selbst bei umfangreichen Aktivitäten im Vergleich zu anderen Werbeformen schlichtweg mies. Anderes Thema, Klickzahlen laut IVW? Ich persönlich habe den Eindruck, dass die auch dadurch entstehen, weil man viel mehr bei der Bedienung herumklicken muss als es früher der Fall war. Das dürfte also als Gradmesser wenig taugen – aber der Betreiber kann bestens Werbebanner vertickern.

Länger absehbar

Ob diese Entwicklung neu ist? Nein. Früher beherbergte bspw. das Forum Internet Marketing reichlich Fachleute, die munter miteinander redeten. Das kenne ich noch aus Zeiten, wo es deutlich weniger als 10.000 Mitglieder hatte. Dort war richtig was los. Heute sinds über 40.000 Mitglieder und es herrscht vergleichsweise tote Hose. Das Anschwellen der Trittbrettfahrer war ebenso zu verzeichnen, wie ein zunehnehmendes Posting von Leuten, die aus anderen Branchen am Wachstum des Online Marketing partizipieren wollten. Auch so kann man ehemals gute Foren beschädigen. Das liegt ausdrücklich nicht an den oft guten Moderatoren. Die das sogar noch kostenlos machen,….oder selbst aus eigener Tasche für Extrafunktionen zahlen: das nenn ich Optimismus. Wenn man als Moderator nicht die eigene Gruppe gnadenlos für eigene Werbezwecke und zum Datensammeln nutzt, wo soll sich das rechnen?

Betrachtet man die Plattform kennzahlenorientiert, sollte man sich an harten Fakten und weichen Faktoren orientieren. Was bringt mir der Beitrag, der Kommentar an Klicks auf mein Profil, Weiterleitungen auf meine Homepage und natürlich Abschlüssen? Wo lerne ich mit welchem Aufwand interessante Menschen kennen, bekomme für welche Lesezeit wirklich neue Ideen, habe langfristig mit wieviel Arbeitszeit ganz einfach wieviel Spaß? Interaktionstiefe, etc. wurden in Zusammenarbeit mit Johannes Wobus erhoben, siehe die Xing Daten.

Die Konsequenz für mich seit Langem: Ich schaue nur noch sporadisch bei Xing rein. Kann sein, dass ich hierdurch mal einen interessanten Artikel verpasse. Es lohnt sich für mich nicht, die Nadel im Heuhaufen stundenlang zu suchen und mich mit Billigwerbung oder Belanglosigkeiten herumzuschlagen. Ich habe jetzt als Online Marketer zum ersten Mal seit vielleicht 8 Monaten wieder das Forum Internet Marketing besucht. Aber nur, um die aktuelle Mitgliedszahl für genau diesen Beitrag hier zu sehen. Gelesen habe ich nichts. Andere Foren habe ich jahrelang nicht besucht oder nur, wenn ein Kollge mich auf etwas aufmerksam machte.

Auch die früher oft brauchbaren Resultate von Beiträgen in den Suchmaschinen ließen nach. Logisch, mit der Zeit schieben sich spezialisierte Webauftritte locker an einem „Gemischtwarenladen“ beim Ranking vorbei nach vorne. Und, nochmal auf das Problem der Beliebigkeit von de facto Werbebeiträgen zurückggreifend: Mittelprächtiger oder schlechter Content tut keinem Webauftritt gut. Natürlich kann man etwas gegen diese Entwicklung tun……

Perspektive: Was ganz anderes?

Xing hockt auf jeder Menge Nutzerdaten im Erwerbsalter und hat vor einiger Zeit ein interessantes Startup gekauft. Da gehts um Analyse und Vermittlung. Naaa, klingelts? Wenn man im deutschsprachigen Raum auf mehrere Millionen Datensätze von Arbeitnehmern und Firmen zurückgreifen kann………….. bräuchte man nur noch eine „relativ“ einfache Matchingfunktion von „ich kann“ und „wir brauchen“. Vielleicht noch eine Eingabe zur Gehaltsvorstellung oder ein Formular fürs Bewerbungsschreiben, fertig ist die Basisfunktion für eine riesige Jobbörse. Sogar für die Bewertung eines Arbeitgebers aus Sicht der Mitarbeiter könnte gesorgt sein. Xing besitzt bereits das Arbeitgeberbewertungsportal kununu.

Viele Firmen, vor allem größere, nutzen vorgeschaltet vor ihre HR Abteilungen Personalberater. Sowie natürlich auch Software nebst Plattformen von Fremdherstellern. Dafür lassen sich die jeweiligen Anbieter recht gut bezahlen. Wenn man hier eine Automatisierung schafft, kann man munter zu einem sehr günstigen Kurs zumindest Basisfunktionen einer Kandidatenvermittlung anbieten. Das sollte für „einfache“ Berufszweige und viele Einstiegspositionen locker reichen……….. und bringt als Massenmarkt so manchen Euro.

Und da wären noch die Projektgeschäfte mit Freiberuflern und Interimmandaten. Dafür gibts sogar seit Langem eigene Gruppen als Marktplätze. Lohnt sich für mich persönlich nicht, da dort meist eher über den Preis als Know How oder Erfahrung gesucht wird. Tja, mit ähnlichen Funktionen, wie oben beschrieben, wäre auch Projektvermittlung machbar. Zusätzlich wirbt Xing schon für eigene, spezielle Freiberuflersoftware. Und falls man sowas nur noch mit den Produkten von Haufe oder Buhl Data kombiniert?

Und Linkedin?

Hat schon längst Funktionen für potentiell Arbeitssuchende oder wechselwillige Kandidaten. Dort kann man direkt einstellen: „nö, will nicht“, „och, mal gucken, sag was“, „ich suche“.

Abwarten aber

Sie dürfen gerne weiter denken……….. was da machbar ist, ob und wie sich so etwas bei Personalberatern auswirkt, ob Xing damit besser fährt oder nicht, ob der Freiberuflermarkt einen neuen Mitbewerber bekommt……..

Kann aber auch alles nur Spekulation sein, immerhin möchte man zügig den Aktienkurs erhöhen……

Diskussionen mit Ideologen – Meinungsmache

Im Netz wimmelt es von kruden Theorien und merkwürdigen Ansichten. Das Spektrum reicht von Verschwörungstheorien über Esoterik bis zu ideologisch, sagen wir mal, leicht verpeilten Persönlichkeiten. Gerne spielen sie dabei eine andere Rolle, als sie tatsächlich darstellen.

Durch die Anonymität im Web kann der größte Gierschlund empathisch wirken, der liebste Mensch asozial oder auch der ideologisch verpeilteste Typ noch halbwegs rational.

Natürlich entwickeln sich Diskussionen. Gerade bei den Ideologen ist das aber Zeitverlust. Es lohnt sich einfach nicht, ein Gespräch mit jemand zu führen, der wie eine Schallplatte mit Sprung, ungeachtet von Argumenten, immer das Gleiche abspult. Das sind, kommunikationstechnisch betrachtet, reine Sender. Sie blasen ihre Meinung in die Welt und sind im Allgemeinen Sachargumenten und Fakten nicht zugänglich.

Schon in den Anfangszeiten des Web, also bei IRC Diskussionen, waren diese Phänomene zu beobachten. Wo man im richtigen Leben, bspw. bei einer Party, den Spinner einfach stehen lässt, labert dieser bei ausreichenden Publikumsreaktionen munter weiter.

Lohnt nicht

Der Spruch „don`t feed the troll“ dürfte bekannt sein. Es lohnt sich nicht, einem Ideologen Stichworte für weitere Betätigung zu geben. Daraus zieht dieser einen emotionalen Mehrwert und fühlt sich in seinen verqueren Äußerungen wahrgenommen.

Lohnt es sich, im Interesse des „normalen Publikums“ eine Sachdiskussion oder von Fakten unterstützte Argumentation aufrecht zu erhalten? Eher nicht. Gerade die Ideologen stoßen vernünftige Leser ab. Übrig bleiben oft die, welche eh schon in einer Filterblase rotieren und sinnvoll überhaupt nicht mehr erreichbar sind.

Also: Nix wie weg. Lieber gute Musik anwerfen, die Ideologen stehen lassen, Zeit mit Freunden verbringen oder was nettes essen. Alles andere lohnt nicht.

DSGVO und Urheberrecht – schlecht für Europas Internet

Nun haben wir die DSGVO hinter uns. Naja, zumindest die Umstellung. Gleich reihenweise wurden deutsche und sonstige europäische Webseiten vom Netz genommen. Oft traf es die kleinen Handwerker, Hobbyseiten, wissenschaftliche Seiten oder auch Foren bis hin zu Selbsthilfegruppen. Dagegen sind viele dubiose Geschichten noch munter. Der Spam wurde nicht weniger, betrügerische Anbieter oder auch die Cookieschleudern verschiedener Verlage machen einfach weiter.

Facebook macht ganz normal weiter

Recht ungeschoren kamen auch die großen sozialen Netze davon, allen voran Facebook. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Am 22.5. sagte Zuckerberg vor der EU Kommission anlässlich des unglaublichen Skandals um Cambrigde Analytica aus. Am 25.5. trat die DSGVO in Kraft. Und, tädää, am 28.5. wurde ein Datenleck von 14 Millionen Benutzern bekannt. Die Lücke lief schon vor der EU Aussage. Kann Facebook etwa nicht feststellen, ob denen Daten flöten gehen oder etwas falsch eingestellt ist? Meines Erachtens schon. Facebook liest munter _alles_ mit und protokolliert jedwede Benutzeraktivität. Zudem kann man offenbar die API sehr genau steuern. Ich finde es äußerst merkwürdig, dass die EU Facebook nicht längst auf den Zehen steht.

Die paar Verbesserungen sind teuer erkauft

Die DSGVO hat jedenfalls nicht den Spam und den illegalen Adresshandel auch nur ansatzweise bekämpft. Läuft alles munter weiter. Und ebenso munter wird für europäische Angebote mit Spammails von Auslandsservern geworben. So richtig gewonnen haben weder Verbraucher, noch seriöse Webseitenbetreiber (die durften einen Heidenaufwand treiben). Abräumer waren ganz klar alle möglichen Anwälte, Schulungsanbieter und freiberufliche Datenschutzbeauftragte.

Urheberrecht und Leistungsschutzrecht

Nun gibt es aber den nächsten Klopper der EU. Das Urheberrecht und das Leistungsschutzrecht sollen überarbeitet werden. Und zwar primär zugunsten der Verlage. Genauer, zugunsten der größeren Verlage wie Springer, Burda, Funke und so weiter. Zunächst soll es einen Uploadfilter geben, der urheberechtlich geschützte Inhalte erkennt und notfalls sperrt. Es darf doch sehr bezweifelt werden, ob das alles so funktioniert. Schon die sehr gute Bildersuche von Google grätscht manchmal deutlich daneben.

Geld für Verlage

Weiterhin soll den Verlagen über das so genannte Leistungsschutzrecht die Kohle in den Hintern geschoben werden. Platt ausgedrückt, soll es eine Steuer auf Links geben – die natürlich vorzugsweise auf Verlagsseiten zeigen. Das hat schon in Deutschland und Spanien nicht geklappt. Noch mehr, es war ein totaler Reinfall. In Belgien ging der Versuch ebenfalls total schief. Die Verleger krochen bei Google zu Kreuze, nachdem sie auf eigenes Verschulden aus dem Index der Suchmaschine geflogen waren und ihnen fortan der Traffic fehlte. Also, wer kommt auf die wirklich blöde Idee, einen erwiesen nicht funktionierenden Mechanismus gleich mal auf EU Ebene auszurollen und obendrein völlig unnötig dem europäischen Internet zu schaden?

Verursacher und Situation

Haben die großen Verlage das eigentlich nötig? Nicht wirklich. Zwar wird oft lauthals geklagt aber eigentlich läuft deren Internetgeschäft gar nicht mal schlecht. Zumindest nicht so schlecht, dass die auf derartige Zwangsspenden angewiesen wären. Angeleiert hatte das Bürokratenmonstrum der ehemalige Digitalkommissar Oettinger. Nun, um dessen Digititalkompetenz scheints genau so bestellt, wie um dessen Englisch. Aktuell wird die ganze Nummer von Voss vorangetrieben, obwohl ihm wohl gerade der Rückhalt wegbricht. Das dürfte ein Paradebeispiel werden, wie Lobbyistenarbeit auf Kosten vieler in die Hose geht und dabei gleich noch die politischen Mitspieler diskreditiert.

Was wäre es schön, wenn ausnahmsweise mal Fachleute gefragt würden……………….

re:publica, Bundeswehr und Shitstorm

Die Veranstalter der re:publica wollten Informationsblasen abbauen, Netzkultur pflegen. Die Bundeswehr wurde ausgesperrt, weil sie ganz normal in Uniform (wie Polizei oder Feuerwehr) einen Stand betreiben wollte. Schon im letzten Jahr war die Bundeswehr ausgegrenzt, offizielle Begründung war eine verspätete Anmeldung.

Informationsfreiheit – aber bitte nur unsere

Wie passt eine Ausgrenzung zur Informationsfreiheit? Zur freien Meinungsäußerung? Die vorgeschobene Begründung war, dass man Personalgewinnung durch die Bundeswehr verhindern wollte. Das wiederum darf man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Veranstalter der re:publica möchten zensieren, beeinflussen, wer überhaupt eventuell Mitarbeiter gewinnen darf. Natürlich ist das schon eine massive politische Einflussnahme. Und zwar ausgerechnet von den Leuten, welche Unabhängigkeit und Offenheit propagieren. Für mich persönlich ist das schon reichlich manipulativ, wenn nicht gar verlogen. Auf jeden Fall entlarvt es eine politische Ausrichtung. Was nicht gewünscht ist, findet entsprechend auch nicht statt.

Guerilla Marketing

Nun, weil die Bundeswehr nicht teilnehmen durfte, fuhr sie einfach mit einem Transporter und einer Plakatwand vor. Eine aus Marketingsicht ziemlich coole Aktion und passende Reaktion auf die Ausladung. Sie verteilte Flyer und bot den Messebesuchern ganz offen Gespräche an. Auch wieder falsch. Schwupps empörten sich die Veranstalter der re:publica. Eigentlich haben sie sich dadurch noch weiter in die Ecke der Unglaubwürdigkeit manövriert.

Shitstorm

Für genau dieses Vorgehen kassiert die re:publica einen heftigen Shitstorm. Von Bundeswehr über Reservisten, von unabhängigen Journalisten bis zu Zeitungswebseiten, von empörten Benutzern bis zu Vertretern echter Meinungsfreiheit hagelt es Kritik. Auf diese Kritik wiederum reagiert die re:publica, selbsternannte Verfechter der Meinungsfreiheit, meines Erachtens extrem dünnhäutig. Warum? Meinungsfreiheit heißt nicht Bevormundung. Oder doch?

Meinungsgewichtung?

Allerdings werden wohl viele Negativkommentare in sozialen Netzen nicht berücksichtigt oder ausgeblendet. Offenbar greifen fehlerhafte Mechanismen, welche die Empörung der Benutzer und Leser falsch einordnen. Dabei läuft auf allen Kanälen, außer bei eher links einzuschätzenden Blättern, die berechtigte Nachfrage, ob die re:publica sich nicht genau so verhält, was sie am meisten kritisiert. Wenns nicht passt, findets nicht statt. Die Kritik daran scheint unterproportional wiedergegeben zu werden. Upps, haben die sozialen Netze dort eine Schwäche, können sie auch so die politische Wahrnehmung beeinflussen?

Luft rausgelassen

Der Protest gegen die Aussperrung der Bundeswehr hat auch Einfluss auf bspw. die Bewertung der Veranstaltung. Bisher war Friede, Freude, Eierkuchen. Man feierte sich gegenseitig. Die öffentliche Wahrnehmung war geprägt durch Selbstlob und Multiplikatoren der Teilnehmer. Nun sind viele sauer und haben massiv 1-Sterne Bewertungen (auch ich) auf bspw. Facebook verteilt. Was bislang als so eine Art selbsterklärter Meinungsführerschaft unterwegs war, ist ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Die re:publica vertritt eben nicht die Digitalgemeinde sondern nur einen kleinen Teil des Spektrums. Einen kleinen aber bislang sehr öffentlichkeitswirksamen Teil. Und das wohl durchaus politisch stark eingefärbt. Durch die kritische Berichterstattung in den Medien und auch die Gegenreaktionen verliert die Veranstaltung den selbstproklamierten Glanz und auch ihre oft gefühlte Meinungsführerschaft. Dies kann durchaus ein Paradebeispiel werden, was Resonanz und tatsächliche Wirkung oder vermeintliche Interessensvertretung und Mehrheiten im Internet angeht.

Medienecho

An der re:publica kann man sehen, wie sich auch das Medienecho um die Messe aufgebaut hat. Verschiedene Medienanstalten bis hin zum Deutschlandradio sind vertreten. Letztere sogar mit einem gläsernen Studio in der Halle. Dem Deutschlandradio ist natürlich keine politische Einflussnahme vorzuwerfen, in der Regel sind die Berichte fair. Aber es besteht die Gefahr der Bedeutungserhöhung für dieses Event. Was eben nicht mehr die reale Bedeutung wiederspiegelt. Einfach mal umschauen. Nehmen wir nur die Veranstaltungen zum Online Marketing. Ein digitaler Wirtschaftsbereich mit sehr genauer Beobachtung bspw. von Verhaltensflüssen im Netz (hoch interessant). Da hätten wir als große Konferenzen und Messen die CPX, Tactixx, Bits&Pretzels, SEOkomm, dmexco, SEOday und zig mehr. Mit zig Tausenden Besuchern, alleine die dmexco hat 40.000. Und meistens Internetprofis. Die re:publica meldete 10.000 Besucher. Neben den Messen zum Online Marketing gibts aber noch die CeBIT, jede Menge lokale Angebote, Veranstaltungen für Shopping, Lifestyle, Haustechnik, Bildung, Sicherheit bis hin zur Gamescom für Computerspieler mit ihren 350.000 Besuchern. Somit deckt die re:publica einen deutlich kleineren (und m.E. nicht unbedingt feineren oder kompetenteren) Bereich ab, als es die digitale Welt ausmacht.

Chance verpasst

Das Kommando CIR der Bundeswehr dürfte einiges zu netzbasierten Angriffen auf Europa und Deutschland sagen können. Seien es russische Attacken auf Verfassungsorgane, sei es Datenklau in der Wirtschaft durch China. Das ist Realität im Netz und mit Sicherheit hoch interessant. Auch dürfte die Bundeswehr einiges an Informationen zu Fake News oder Propaganda haben, mit denen bspw. Russia Today, Sputnik, Anna News oder auch die Trollarmee Russlands seit langem arbeiten. All so etwas kann zum Abbau von Filterblasen beitragen. Was mir bspw. immer wieder im Netz begegnet, ist die Verteufelung der Nato wegen der Osterweiterung. Dabei kommen immer wieder Märchen auf (auch gerne von bspw. linken Politikern oder AfD), das sei alles vertragswidrig. Blödsinn. Die Frage, warum man demokratischen, osteuropäischen Staaten zudem die Flucht unter einen Schutzschirm versagen möchte, gehört ebenfalls diskutiert.

Heuchel hier, heuchel da

Die re:publica lässt sich dick bezuschussen. Von Ministerien der Bundesrepublik. Und der EU. Dazu geben noch drei Bundesländer und Medienanstalten Geld. Gleichzeitig warf der Veranstalter, Beckedahl, der Bundeswehr vor, ggf. für einen „politisch fragwürdigen Angriffskrieg im Internet“ zu rekrutieren. Zynisch ließe sich sagen: Na hoffentlich erfährt das Bundesinnenministerium davon, dass die Bundeswehr einen Angriffskrieg will und erzählt es schnell der Bundeskanzlerin. So ganz scheint bei den Veranstaltern noch nicht angekommen, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Aber Hauptsache dagegen.

Informationsblasen

Das offizielle Ziel der re:publica war der Abbau von Informationsblasen. Wenn man aber selbst zensiert und eine politisch genehme Umgebung schafft, baut man genau diese Informationsblasen auf. Gescheitert. Meinungsfreiheit gerne – so lange es die eigene Meinung ist. Das ist weder demokratisch, noch ehrlich, noch offen.